|
Ein einzelner Blitz
zuckte über den nachtschwarzen Himmel und fast auf dem Fuße
folgte der Donner. Gleißend hell schlug der Blitz in eine hohe Eiche
am Wegesrand ein. Der gewaltige Stamm spaltete sich mit einem dumpfen
Ächzen in zwei Teile und kippte langsam, beinahe gemächlich
und fast als würde die Zeit auf einmal langsamer als sonst vergehen,
auf die Straße. Funken, Äste und einzelne Holzsplitter krachten
mit ihm auf den Weg, als die Zeit plötzlich wieder ihren normalen
Lauf zu nehmen schien. Später in der
Nacht war das Gewitter vorübergezogen. Silbernes Mondlicht glitzerte
auf den nassen Blättern und spiegelte sich in den zahlreichen Pfützen
auf dem aufgeweichten Weg. Eine reglose Gestalt lag neben den verkohlten
Trümmern einer gewaltigen Eiche auf dem Pfad. Schlamm und Regen,
Holzsplitter und kleine Blätter besudelten den feinen Umhang und
die dunkle Lederrüstung der Gestalt. Helles, feines Haar quoll aus
der Kapuze hervor, die ihr gänzlich über den Kopf gerutscht
war. Der Wind zerrte an der Kapuze und legte schließlich das Gesicht
der Gestalt frei. Ebenholzfarbene Haut, ein Gesicht, eingerahmt von silberweissem
Haar, mit hohen Wangenknochen. Das leise Wispern der Blätter im Wind begleitete die Dunkelelfe auf ihrem Weg durch den Wald. Wie Schatten durch Schatten huschte sie durch die Nacht. Immer wieder blieb sie stehen und blickte sich um. Die dunklen Bäume, stumm und doch lebendig, türmten sich vor ihr auf. Sie wusste wohl, wer Herr in diesem Wald war. Sie hasste seine Herren, sie hasste die Elfen. Sie hetzte weiter. Erschöpft hielt
sie inne. Kletten, kleine Äste, Dornzweige und Blätter hatten
sich in ihrer Rüstung verfangen, fast, als hätten die Bäume
selbst versucht, sie festzuhalten. Unzählige kleine Schrammen verunzierten
die sonst makellose Haut. Sie kauerte sich hin und schöpfte Atem.
Mühsam blinzelte sie zu den Sternen empor. Welche Richtung...? Ein leises Geräusch ließ sie herumfahren und sich ducken. Ihre Hand lag auf dem Knauf ihres Dolches noch bevor sie das Geräusch ausmachen konnte. Sie hörte leise Stimmen, zwei Stimmen. Worte in einer fremden und doch elend vertrauten Sprache. Melodisch, lachend, voller Fröhlichkeit. Die Dunkelelfe verzog hasserfüllt das Gesicht, ihre roten Augen glommen auf vor Blutdurst. Langsam und geduckt
folgte sie den Stimmen. Zwei Stimmen, ein Mann, eine Frau. Sangen sie
oder sprachen sie nur? Beide Stimmen waren so voller Musik und Leben,
dass es beinahe schmerzte. Glutrote Augen beobachteten
die Szene. Die Dunkelelfe wirkte wie ein Fremdkörper nahe der Lichtung,
wie ein Schatten auf sonst makellosem Silber. Sie duckte sich tiefer in
den Schutz eines Haselstrauches und zog langsam ihren Dolch. Die Klinge
war schwarz und leicht gewunden, an ihrer Außenseite stachen geschwungene
Widerhaken nach außen. Es zischte leise, als der Dolch durch die Luft wirbelte. Es pochte nur dumpf, als er sein Ziel fand. Für einen Augenaufschlag lang herrschte entsetzte Stille auf der Lichtung. Der Wald selbst schien den Atem anzuhalten. Eine einzelne Wolke schob sich vor den silbenen Mond und warf Schatten auf den einst in Silber getauchten Platz. Rotes Blut rann den goldenen Hals der Elfe hinunter und hinterließ Spuren im weichen Gras. Fassungslos starrte der Elf seine Geliebte an und auch den Dolch, der wie ein schwarzes, widerwärtiges Insekt im Hals der Elfe steckte. Ihre Augen starrten gebrochen in seine. Das Licht in ihnen war erloschen und würde nie wieder das seine finden. Das Lächeln der Dunkelelfe war grausam und brutal. Ein zweiter Dolch wirbelte durch die Luft, aber nicht, um den Elfen zu töten. Es wäre ein leichtes gewesen. Aber die Drow wollte nicht töten, sie wollte Schmerzen bereiten. Und dieser Elf durchlitt wahren Schmerz, als er seine tote Geliebte in den Armen hielt. Dumpf schlug der zweite Dolch im Baumstamm neben ihm ein. Schwarz wie der erste, aber glatter und leichter. Auf seiner Klinge eingraviert fand sich eine einzelne Rune. Die Dunkelelfe zog
sich langsam zurück. Sie würde dem Elfen keine Zeit geben, sich
zu erholen und keine Zeit, sie zu finden. Ihm sollte nichts bleiben als
die Erinnerung an Schmerz, verbunden mit dieser einen Rune. (c) TinTamarra, 2002 |