(c) Saxmut Schwarz , 2000



Vor dem Haus war finsterste Nacht, der Schatten der Erde fiel auf den Mond und dunkle Wolken zogen träge am Himmel entlang. Holger lag in seinem Bett und hörte, wie sich vor seinem Zimmer die Eltern stritten. Schon lange war zwischen ihnen etwas zerbrochen, aber was es war, dass konnte Holger nicht erahnen. Der Vater hatte vor kurzem seine Arbeit verloren und die Mutter kümmerte sich den ganzen Tag um seine zwei kleineren Geschwister. Es war eine schwierige Zeit für ihr und auch das ganze Land um ihn, wusste noch nicht so recht, welche Zukunft es erwarten würde. Vor 16 Monaten war die Mauer gefallen und mit dem Einbruch des sozialistischen Staates kamen viele neue und bis daher unbekannte Probleme auf die Menschen zu, mit denen sie vorher niemals behelligt worden waren. Holgers Schule war geschlossen worden und jetzt musste er jeden Morgen mit dem Bus in die benachbarte Stadt fahren, um dort das Gymnasium besuchen zu können. Er hasste die Stadt, denn sie war kalt und grau und der Moder und der Zerfall nagten an ihr wie nirgends sonst. Im Unterricht sinnierte er vor sich hin und träumte von einer besseren Welt, in der alles schön und gut war, doch seine Träume zerplatzten jedes Mal wie Seifenblasen, wenn ihn sein Lehrer aufschreckte und er wieder einmal keine Antwort geben konnte, weil er nicht aufgepasst hatte. Er sehnte sich in die Geborgenheit seines Dorfes und zu seiner Mutter, dem einzigen Menschen, zu dem er vertrauen hatte. Seine Geschwister waren noch zu klein um sich mit ihnen ordentlich zu unterhalten und sein Vater war im Laufe der Zeit zum Säufer geworden. All seine Probleme ertränkte er im „Taumelnden Röss`l“ der einzigen Dorfkneipe im Ort. In der Schule war er neu und er kannte dort fast niemanden, denn seine damalige Klasse besuchte die Realschule und so hatte er keinen einzigen Freund, mit dem er reden konnte. In seiner Klasse, der 10a, war er auch nicht gerade beliebt und die Anderen mochten ihn nicht recht, da er als Außenseiter galt und ziemlich verschwiegen war. Holger hatte es wahrlich nicht leicht und das einzige Fach, was ihm richtig Spaß machte war Deutsch, mit der Untergruppe Literatur, denn Lesen war seine Leidenschaft.

Auch daheim las er sehr viel und genau an dem Abend, als er das gurgelnde Geplärre seines Vaters hörte, der wieder einmal von der Kneipe nach Hause kam, las er einen Abenteuerroman. Holger hörte die torkelnden Schritte seines Vaters und die besänftigenden Worte der Mutter, doch der Vater war diesmal anders, er war gereizt und aufbrausend. Holger wusste wohl, das sich die beiden nicht mehr richtig verstehen würden, aber das es eines Tages so weit kommen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Der Zwist war eigentlich wie immer, doch plötzlich schien sich das Gewohnte zu ändern, denn der Vater wurde immer wilder und schon hörte Holger, wie etwas auf den Boden fiel. Seine Mutter schrie auf und Holger sprang von seinem Bett und lauschte an der Tür. Vor der Tür im Korridor tobte der Vater und er schrie seiner Mutter entsetzliche Worte entgegen. Holger war trotz seiner schlechten Leistungen in der Schule ziemlich klug und er wusste genau was der Vater wollte. Doch seine Mutter wehrte sich und wollte ihm nicht gestatten, dass er sie zu etwas zwang, was sie nicht wollte. Wieder ging etwas zu Bruch und schon hörte man aus dem Nachbarzimmer das Schreien seiner Geschwister. Langsam öffnete Holger die Tür und was er sah entsetzte ihn zutiefst. Sein Vater stand trunken vor seiner Mutter und begrapschte sie mit lüsternen Händen. Seine Mutter wehrte sich mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung standen, doch der Vater ließ nicht von ihr ab. Es war grauenvoll und gerade als Holger etwas sagen wollte, geschah das Unfassbare. Der Vater holte mit seinem kräftigem Arm aus und schlug seiner Mutter ins Gesicht. Das Blut spritzte und aus der Nase der Mutter quoll dunkelrotes Blut. Entsetzt und Betäubt wich sie vor ihm zurück und sank auf den Boden. Doch ihre Stille machte ihn noch wilder. Holger sah, wie er anfing seine geliebte Mutter mit Schlägen zu traktieren. Er war erschütternd und Hagen sprang mit wutverzerrtem Gesicht aus dem Zimmer, denn niemand sollte seine Mutter ungestraft misshandeln dürfen. Seine Angst vor dem Vater war zwar groß, doch seine Wut war in diesem Augenblick viel stärker. Wie ein gehetztes Tier im letzten Todeskampf warf er sich auf den Vater und brachte ihn zu Boden. Der Vater wusste zuerst nicht zu erfassen was hier vor sich ging, aber bald kam er wieder zu sich. Er packte seinen Sohn, der ihn wie wild mit schmerzenden Schlägen übersäte an den Haaren und zerrte seinen Kopf nach hinten.

„Ich fordere nur ein, was mir zusteht!“ sagte er und dann schleuderte der besessene und volltrunkene Vater den Kopf seines Sohnes an den nahen Spiegel an der Wand, so dass dieser in viele Stücke zerbarst. Holger blutete aus einer großen Wunde an der Stirn, aber seinen Vater schien das nicht zu interessieren, denn jetzt widmete er sich wieder seiner Mutter. Holger lag am Boden und wand sich in seinen Schmerzen und als das die Mutter sah, riss sie eine Glasscherbe vom Boden und hielt sie dem Vater entgegen.

„Wage es nicht, mir und meinen Kindern noch einmal etwas anzutun!“ drohte sie ihm und hielt ihm die Scherbe vor die Nase. Doch der Vater war davon unbeeindruckt oder er merkte es einfach nicht, dass es die Mutter ernst mit ihrer Drohung meinte. Unaufhaltsam, Zentimeter für Zentimeter schritt er auf sie zu.

„Umbringen willst du mich also, du kleine Schlampe!“ sagte er und kam immer näher.

„Bleib wo du bist!“ sagte die Mutter „Oder du wirst es bereuen!“

Sie wollte noch etwas sagen, doch der letzte Satz bleib ihr im Halse stecken, denn der Vater hatte ihr mit einem groben Tritt die Scherbe aus der Hand geschlagen. Ihre Hand blutete stark, doch diesen Schmerz sollte sie nicht lange spüren, denn schon hatte der Vater ihr seine großen Hände um den Hals gelegt und begann sie zu würgen. Völlig außer sich und mit letzter Kraft hieb ihm Holger mit der Faust auf den Kopf, doch sein Bemühen blieb erfolglos, denn der Vater ließ nur eine Hand von seinem Opfer gleiten, und versetzte Holger so einen kräftigen Schlag, dass er umnachtet und ohnmächtig zu Boden glitt. Mit der anderen Hand hatte er derweil die Mutter festgehalten, die jetzt nur noch ein unregelmäßiges Röcheln von sich gab. Jetzt legte er wieder seine zweite Hand an ihren Hals und drückte langsam und genüsslich, wie ein geübter Massenmörder zu. Keine Sekunde besann sich der Mann seiner schrecklichen Tat und sein Wille war nur auf das eine Ziel gerichtet, den Tot seiner Frau.

Die Kehle der Mutter wurde enger und die restliche Luft im Körper der wehrlosen Frau begann zu schwinden. Mit einem tiefsinnigen, aber bittenden Blick schaute sie ihrem Mann in die Augen, doch sie erkannte in seinen Zügen nicht den Mann, den sie dereinst in Liebe geheiratet hatte, sondern ein wildes Tier, das seine Klauen wild und eisenhart in sein Opfer schlug. Das Leben wich aus dem Körper der Frau und sie trat in elenden Qualen und mit schmerzverzerrtem Gesicht vom lebendigen Sein in den Tot. – Als der Vater spürte, dass sein Opfer keine Regung mehr von sich gab, schaute er auf, erhob sich, gab Holger noch einen Fußtritt in den Bauch und verschwand ohne Reue aus der Wohnung.

Als Hagen erwachte bot sich ihm ein Anblick des Grauens, seine Mutter war tot und ihre Gesichtszüge waren verzerrte Augenblicke ihrer Qualen vor dem Tode. Seine Geschwister waren ebenfalls still und er hörte keinen Laut in seiner Umgebung. Er nahm die Mutter in seine Arme und er wusste, das er sie jetzt für immer verloren hatte. Seine Wut verwandelte sich in dieser kurzen Zeit der Andacht in ein elendiges Wehklagen. Als er sich besann und seinen Schmerz herausgeweint hatte, schaute er nach seinen Geschwistern, er hatte schlimmes geahnt, doch sie waren unbeschadet geblieben. Es war vorbei, er hatte jetzt nur noch sich und seine Geschwister, denn seinen Vater, den Mörder, zählte er nicht mehr zu seiner Familie. Er hasste ihn und doch überwand er sich schließlich und schaffte es, die Mutter ordentlich auf das Bett zu legen. Er blickte in ihre friedvollen Augen, doch nur für ihn, denn in Wirklichkeit waren sie voll Hass und Verzweiflung gestorben. Doch die Wahrheit war zu grausam und so schloss er ihr mit einer leichten Bewegung die Lieder und bettete sie in Decken gehüllt auf das Sofa in der Stube. Eine letzte Totenverehrung, bevor er die Hauptstraße seines Dorfes herunterlief, um an einem Münzfernsprecher die Polizei zu verständigen.

 

Nachdem Holger sieben Wochen im Kinderheim verbracht hatte und die bürokratischen Hindernisse überwunden waren, konnte er endlich zu seinen Großeltern nach Seewald ziehen. Hier gefiel es ihm viel besser als in dem Ort, der ihm jetzt so verhasst war. Seine beiden Geschwister waren bei der Schwester seiner Mutter untergekommen und obwohl die Familie schon zwei Kinder hatte, nahmen sie Holgers Geschwister freundlich auf. In >Seewal gab es noch nicht einmal eine Schule, so klein war der Ort, aber das war ihm jetzt auch egal, denn seinen Abschluss hatte er nicht geschafft. Nach den Ferien würde er sich in der nächstgelegenen Schule, die im Nachbarort lag, einfinden müssen, um dort wieder von neuem an zu fangen. Aber mit solchen Gedanken wollte er sich jetzt nicht plagen, denn immerhin waren Ferien und er war von seinen schmerzhaften Erinnerungen in eine idyllische Landschaft geflohen. Und das kleine Örtchen, in denen seine Großeltern wohnten war wahrhaftig eine Romanze im Grünen wie sein Opa immer zu sagen pflegte. Das Dorf an sich bestand aus dreizehn Häusern und einem, für so ein kleines Dorf wirklich ungewöhnlich großem Friedhof. Auf dem Friedhof fand man wirklich uralte Gräber und Holger hatte hier oft seine Mutter erschreckt, wenn sie mal vom „Dorfkrug“ eine Abkürzung über den Friedhof gegangen sind. „Ach ja, meine Mutter..“ dachte er und schlurfte den staubbraunen Feldweg entlang, ohne auch nur auf die Schönheiten der Natur zu achten. Bei jedem Gedanken an die geliebte Mutter umklammerte ihn der herzzerreißende Schmerz mit seinen eisigen Klauen und drohte ihm die Brust zu zerreißen. Doch Weinen, Weinen konnte er schon lange nicht mehr, denn er hatte sich in seine eigene Welt zurückgezogen, er hatte sich von allen äußeren Einflüssen abgekanzelt und lebte nun so, wie er es für richtig hielt. Und niemand, wirklich kein einziger konnte ihm jetzt noch etwas wegnehmen, denn seine Liebe, seine Zuneigung und sein Vertrauen hatte er keinem mehr geschenkt. Er behielt alles für sich und so sollte es auch bleiben.

 

Die warme Sonne schickte ihre Strahlen auf Holgers Haupt und der Wind umspielte seine nackten Glieder. Hier fühlte er sich wohl, umgeben von verfallenen Steinen und Moder, umgeben von Erde und Tod. Der Friedhof war seine Zufluchtsstätte geworden, hier fühlte er sich geborgen, umringt von unzähligen Grabsteinen, die kreisförmig angeordnet an die solaren Sonnentempel einer längst vergessenen Vergangenheit erinnerten. Hier konnte er frei sprechen, hier hörte man ihm zu! Schon seit über einer Woche schlich Holger über die Friedhofsanlage und lungerte an den efeuüberwachsenen Grabsteinen herum. Seine Gedanken kreisten um Tod, Vergeltung und Rache aber auch um Liebe und Geborgenheit. Er war allein und niemand war bei ihm außer der allgegenwärtige Tod ringsumher. Hier waren seine neuen Freunde, seine Zuhörer und Seelenverwandten. Was war nur aus ihm geworden! Was war aus der Welt geworden! dachte er und zeichnete mit seinem Stöckchen kleine Kreise auf den Boden. – Niemand gab ihm Antwort. Er verfluchte sich selbst und er hasste seine Ratlosigkeit. Er wusste nicht, wohin er sich wenden sollte, er hatte kein Ziel.

Lange saß er an der Mauer gelehnt da und überdachte sein Leben und je mehr er darüber nachdachte, je mehr war er sich darüber im klaren, das er selbst nichts mehr zu verlieren hatte außer seinem eigenen Leben, das war das einzigst, was ihn in dieser Welt hielt. Die Strahlen der Sonne wurden schwächer und die Schatten der Nacht begannen sich über das Land zu legen und Holger erkannte viel zu spät, dass sich eine schreckliche Finsternis über ihm ausgebreitet hatte.

 

Am nächsten Morgen, er kam neblig und kalt, es war der dreizehnte Tag nach seiner Ankunft in Seewald, da begab sich etwas Sonderbares. Wie immer um die Nachmittagszeit besuchte Holger seine heimlichen Freunde. Doch diesmal war er nicht allein auf dem Friedhof, denn er spürte, dass noch jemand anderes da sein musste. Jedoch konnte er keine Menschenseele erblicken, zumindest keine lebendige. Achselzuckend setzte er sich neben seinen Lieblingsgrabstein, einen schön geschlagenen Marmorstein, der die Aufschrift: Fritz Altmann geb. 12.07.1846 gest. 13.01.1899 IN LIEBE DEINE EHEFRAU IRMGART trug.    Holger schloss gewohnheitsmäßig seine Augen, um die süßen Stimmen der Singvögel zu vernehmen und merkte nicht, wie er langsam in das Reich der Träume glitt.

 

Ein Waldkäuzchen rief in die Nacht hinein und der volle Mond prangte milchweiß am fernen Himmelszelt. Die Grabsteine des Friedhofes waren allesamt umgestoßen und nur ein einziger stand noch aufrecht und gerade, wie ein einsamer Soldat im >Stillgestanden<. Holger schritt andächtig auf den entfernt liegenden Stein zu und ihm viel auf, dass keine einzige grüne Pflanze an der Mauer emporwuchs. Das ganze Friedhofsgelände bot sich dem Auge grau in grau. Die Bäume waren allesamt blattlos. Es muss Winter sein! dachte Holger und wie zur Bestätigung seines Gedankens begannen dicke Schneeflocken vom Himmel zu fallen. Es dauerte gar nicht lange und der gesamte Friedhof war von einer weißen Schneedecke überzogen. Ringsherum war alles weiß und unter Holgers Schritten knirschte hörbar der Schnee. Als er an dem einzelnen Grabstein angelangt war, versuchte er den Schnee weg zu wischen um zu sehen, welche Inschrift sich darunter verbarg. Aber kaum hatte er mit seiner Arbeit angefangen, da vernahm er hinter sich eine hohe, leichenblasse Stimme.

„Nicht nötig!“ rief die Stimme hinter ihm.

Holger wirbelte entsetzt herum und erstarrte mitten in der Bewegung, als er denjenigen erblickte, der zu ihm gesprochen hatte.

Vor ihm stand ein uralter Mann mit einem grauen von Schneeflocken durchsetzten Bart. Die Augen des Alten waren starr auf Holger gerichtet und aus seinem Mund quoll diese entsetzliche und grauenvolle Stimme.

„Nicht nötig!“ wiederholte der Alte noch einmal. „Das ist das Grab von Ramona Hermann!“

Holger stockte der Atem, ein dicker Kloß saß in seinem Hals und schnürte ihm die Luft ab, so dass er nicht in der Lage war ein Wort zu sprechen.

„Ja. Ja. Ein schlimmes Schicksal war das mit der armen Frau.“ schnarrte der Alte unaufgefordert weiter und kam ein Stück näher. „Wurde umgebracht! Äh. Von ihrem eigenen Mann!“

Hagen war entsetzt und verzweifelt. Wie kam er von diesem Ort weg, wie nur. Er wusste es nicht. Hier vor ihm stand das Grab seiner Mutter! Noch nicht einmal seine Träume ließen ihm mehr Ruhe. Wieder kam der Alte ein Stück näher.

„Ja. Ja. Umgebracht von ihrem eigenen Mann!“ wiederholte er.

In Hagen staute sich der Zorn, er wollte nicht wieder so unfähig dasitzen und nichts tun, er musste endlich selbst handeln! Er schloss die Augen und über seinen Zorn hinweg brach sich ein Schrei aus seiner verstopften Kehle, der so herzzerreißend war, das der gesamte Friedhof erschauderte. Als der Schrei verhallt war schlug Holger die Augen auf und musste feststellen, das der schauderhafte Geisterfriedhof verschwunden war, nur der einsame Grabstein stand noch auf seinem Fleck. Wütend scharrte er auf dem Stein herum, bis er die Inschrift entziffern konnte: Fritz Altmann geb. 1846... Er war wieder wach!

Er musste handeln, das war ihm jetzt klar und er musste das Schicksal in seine eigenen Hände nehmen. Es half ihm nicht weiter, sich selbst zu bemitleiden. Entweder man handelt oder man lässt sich weiterhin mit dem großen Strom mitreißen. Und zum mit-gerissen-werden hatte er wahrlich keine Lust mehr.

 

Der nächste Morgen kam strahlend und froh und selbst seine Oma schwärmte beim Frühstück essen, wie schön es doch war als sie so jung war wie Holger und mit ihren Freunden zum See ging um zu baden. Doch Holger hatte keine Freunde, außer denjenigen, die auf der anderen Seite waren und so hatte er seine Oma belogen, denn er wollte gar nicht, wie alle anderen zum See, er wollte auf den Rabenfels, einem Felsen, der wegen seines freudlosen Aussehens gemieden wurde. Zum Abendessen wollte er zurück sein, sagte er seiner Oma und machte sich auf den beschwerlichen Weg.

Der Rabenfels war ein Sandsteinmassiv, der von einem kleinen Wald umgeben war. Es gab hier weder einen Wanderweg, noch ein touristisch erschlossenes Gebiet, es war ein Stück Deutschland, wo man die Natur noch spüren konnte, wo die Gedanken frei sind und wo man die banalen Alltagssorgen hinter sich lassen konnte. Es war ein Stück Deutschland in der die Stille der Natur, die leise Andacht zu fühlen war! In den späten Nachmittagsstunden hatte Holger den Gipfel erreicht, es war beschwerlich für ihn gewesen, aber er hatte es geschafft. Er war oben! Glücklich und zufrieden setzte er sich auf den winzigen Felsvorsprung und schaute über das weite Land. Was von einem Menschenleben doch bleibt? fragte er sich. Nichts außer die klägliche Erinnerung seines Lebens und die Asche seines Todes. Hier oben wehte der Wind und die Zeit stand still. Die Sonnenstrahlen waren warm und den Himmel trübte keine einzige Wolke. Wie es wohl ist? fragte sich Holger und vermochte es nicht, sich diese Frage zu beantworten.

Während die Dämmerung hereinbrach begann eine leichte Brise aus Nordosten zu wehen. Die Andern werden sich sicher schon Sorgen machen. dachte Holger. Nur er, er machte sich keine Sorgen mehr. Er fühlte sich frei und losgelöst, für ihn war die Zeit gekommen. Leise schwebte er über dem Rabenfels dahin und fiel, fiel in eine bessere Welt, in die Welt seiner wahren Freunde, ins Land der Stille, ins Land der ewigen Erkenntnis. Der Rabenfels behielt sein Geheimnis und der volle Mond tauchte das Land in ein sanftes Licht.

 

>>Deutschlandfunk! +++Neue Terrorakte in Israel. Keine Aussicht auf friedliche Einigung.+++Modeschöpfer Paolo Schiriki hat den Monat August zum „Modemonat“ erklärt und diese Erklärung mit der Vorstellung seiner neuen Sommerkollektion in New York untermauert.+++Seit gestern Vormittag wird der 17jährige Holger Herrmann aus Seewald vermisst. Er ist bekleidet mit einer kurzen, schwarzen Panzerhose und einem blauen T-Shirt. Er hat schulterlanges, blondes Haar und ein Muttermal am rechten Unterarm. Für sachdienliche Hinweise über den Verbleib der beschriebenen Person stehen ihnen alle Polizeidienststellen zur Verfügung.+++  ...und jetzt weiter mit dem neuen Hit von Stigmata „Das Ende der Welt“...<<

(c) Saxmut Schwarz , 2000


Hintergrund

Tod als Ausweg? Mahnung für das Leben? Kritik an einer weltfremden Welt verrückter Werte? Saxmut's Story dürfte für eine kontroverse Diskussion sorgen. Unbestritten jedoch ein überraschend solides Stück Autorenhandwerk mit einem erfreulich hohen Niveau durch das die Persönlichkeit des Autors spürbar ist. Eine echte Bereicherung für FantasyForest.