(c) Heiko Herbert Hoelzel, 2000


Das sanfte Streicheln eines kühlen Tropfens Morgentau, der sich sachte tastend seinen Weg über ihre roten Wangen suchte, riss Alia sanft aus ihren wunderbaren Träumen von edlen Rittern auf schwarzen Rössern und holden Damen in wunderschönen wallenden Kleidern. In ihren Träumen war sie Ihm begegnet, einem jungen Krieger in der Blüte seiner Jahre. Mit seiner Höhe von etwas mehr als sechs Fuß hatte er sich deutlich von der Masse der anderen Edelmänner abgehoben. Seine lange schwarzes Mähne wehte ungebändigt im Nachtwind, als er sich langsam durch die Reihen der Tanzenden schob und das Lächeln, das er ihr schenkte, übertraf an Glanz die Sterne der Nacht. Ängstlich war sie vor ihm zurückgewichen, denn sie war ja nur ein armes Bauernmädchen aus Weidenbach, einem kleinen Dorf in der Nähe des Ulgar. Doch als sie an sich herunterblickte sah sie nicht die ärmliche Leinentracht einer Magd, sondern die glitzernden Seidenkleider einer Elfenprinzessin. Ihre Robe war besetzt mit Tausenden von funkelnden Juwelen, die alle mit ihrem eigenen Feuer zu strahlen schienen, jedes Stein versucht den Glanz des anderen zu übertreffen. Eine junge Elfe an ihrer Seite kicherte als sie den Edelmann näherkommen sah. „Heute Nacht wird er um deine Hand anhalten, Xandra! Ich habe ihn eben bei Elorion Immerdar gesehen und Elorion lachte, bei Indoriol, dem Herrn der Seen, er lachte. Ich habe Elorion noch nie lachen sehen Schwester ... .“ Schwester, Xandra? Sie war doch Alia, sie war ein Mensch und sie hatte keine Schwester, dies war nicht sie in ihrem Traum! Nein, sie war in dem Traum einer anderen Person gefangen, erfuhr von ihrem Glück! Doch war es ihr unmöglich zu ergründen wer diese Xandra war und was sie in ihrem Traum zu suchen hatte, denn das kühle Nass der Tropfens hatte sie aus ihren Träumen gerissen, obwohl sie noch immer glaubte die sanfte Musik der Elfen zu hören, die sie schon durch ihren Traum geleitet hatte.

Langsam öffnete sie ihre Augen und wischte schlaftrunken den Morgentau von ihrer Wange. Morgentau? Ihre Erinnerungen kamen wieder, ihre Erinnerungen an die Nekromanten, die von der Schädelöde her ins Land einfielen, ihre Erinnerungen an ihren Glauben hier im Wald der Tausend Träume, die Hilfe der Elfen für ihr Dorf zu erringen, ihre Erinnerungen an den Schrecken der letzten Nacht, an die Hatz der Orks, die sie verfolgten und an den schwarzen Ritter, der ihr zu Hilfe geeilt war. Er hatte die Orks erschlagen und sie hier im Arm gehalten, bis sie sanft in die Welt der Träume abgeglitten war. Irgendwann musste er sie verlassen haben, um sich an einem anderen Baum zur Ruhe zu betten, doch nun schien er wach zu sein, den nur ihm konnte diese sanfte, doch traurige Stimme gehören, die jene fremdartige, doch wunderbare Melodie sang, die sie in dem kurzen Moment zwischen der Welt des Schlafes und der Welt der Wirklichkeit mit dem Gesang der Elfen aus ihrem Traum verwechselte.

Die Morgensonne blendete sie als sie ihren Blick über die Lichtung schweifen ließ. Die Leichen der Orks waren verschwunden und auch das schwarze Ross des Retters war nirgends zu erblicken. Jedoch sass mitten auf der Lichtung ein Elf mit langen schneeweißen Haar und sang jene Melodie, deren trauriger Zauber die ganze Lichtung durchdrang.

Als der Elf Alias Erwachen sah hielt er inne mit seinem Gesang und erhob sich von seinem Ruheplatz in der Mitte der Lichtung. Mit ihm erhob sich ein Schwarm aus unzähligen bunten Vögeln, die sich scheinbar vor ihm im Gras niedergelassen hatten, um seinen Worten zu lauschen und in ihren Schwingen brach sich das Morgenlicht in tausend Farben, während ihr Zwitschern, die Lichtung mit einem neuen fröhlichen Lied erhellten. Langsam und geschmeidig wie eine Katze bewegte sich der Elf über das Gras und seine Füße schienen kaum den Boden zu berühren, als hätten sie Angst das Gras zu zerdrücken das die Lichtung bevölkerte. Alia hatte von dem Glauben der Elfen gehört, das alles in der Natur eine eigene Seele inne hatte, die Tiere, die Pflanzen, ja sogar die Felsen besaßen nach dem Verständnis der Elfen eine eigene Seele und sie erachteten es als eine Schande ihnen ihr Leben zu nehmen, wenn es nicht notwendig war. So pflückten sie niemals Blumen um damit ihre Städte zu schmücken und töteten selten Tiere, um sich von ihnen zu ernähren, sondern lebten von den Früchten der Bäume, den Samen der Blumen, dem Honig der Bienen, der Milch der Hirschkühe und vor allem dem Wein der wilden Reben. Natürlich waren dies alles nur Geschichten, denn schon lange hatte kein Mensch mehr einen Elfen gesehen, doch beim Anblick dieses wundervollen Wesens war Alia mit einem Mal klar, das alle diese Geschichten war sein mussten, dieses Wesen würde niemals ein anders Mitgeschöpf töten, außer um sich davon zu nähren oder sich zu schützen.

„Seit gegrüßt, Alia von Weidenbach, Tochter des Lakrom! Sei gegrüßt, Alia Elfenfeund, Schwester der Elfen! Sei gegrüßt, Alia Silberschild, Schwert des Nordens! Sei gegrüßt, Alia Mondlicht, denn schon lange wartet mein Volk auf dich!“

Stumm starrte Alia auf den Elfen, der sich ihr langsam näherte. Er hatte sie mit ihrem Namen gegrüßt, er wusste woher sie kam und er schien ihren Vater zu kennen. Doch mehr noch er behauptete, dass er sie erwartet habe, nein sein ganzes Volk schien auf sie zu warten, doch was wollten solch strahlende Geschöpfe von einer einfachen Magd wie ihr. Was meinten sie mit Silberschild, Schwert des Nordes, was mit Elfenfreund, Schwester der Elfen. Die Worte des Elfen schienen keinen Sinn zu ergeben. Sie war hierher gereist, um von den Elfen Hilfe gegen die Nekromanten zu erbitten, den in den Geschichten ihres Volkes erzählte man sich, dass am Anbeginn der Zeit die Elfen schon einmal gegen die Nekromanten von Skrall gezogen waren und diese hinter die Schädelöde verbannt hatten, an jenen grausigen Ort wo sie in ihrem finsteren Tempel Nephrod, dem Gott der Chaos und der Vernichtung huldigten.

Dies sollte der einzige Krieg in der Geschichte der Elfen gewesen sein, denn sie auf Geheiß von Armol, dem Gott der Bäume und Indoriol, dem Herrn der Seen gegen die seelenlosen Geschöpfe von Nephrod geführt hatten und die Legende erzählte, das die Waffen der Elfen bis zu dem Tag in den Tiefen der Höhle des uralten Drachen Krokach ruhen würden, an dem sich die Macht von Nephrod erneut erheben würde und die Nekromanten von Skrall in die Länder der Sterblichen einfallen würden. Nun war der Tag gekommen und anstatt sich zu rüsten schienen die Elfen auf die gewartet zu haben, einem Mädchen von einem einfachen Hof, um ihr auf einer unbekannten Lichtung ein Lied zu singen.

Irgend etwas passte hier nicht zusammen, sie wusste nur noch nicht was.

To be continued.....

 

(c) Heiko Herbert Hoelzel, 2000