(c) Heiko Herbert Hoelzel, 2000


Wolf stand auf den schwarzen Zinnen seiner Burg und starrte über das sanfte Wogen der Baumwipfel im kühlen Morgenwind. Irgendwo in dem endlosen Grün des Waldes spürte er Alias Herz schlagen. Er hatte sie nur kurz gesehen, doch er spürte sich mit ihr auf mystische Weise verbunden. Er war verliebt, nicht auf die plumpe, flüchtige Art der Menschenrasse, deren Liebessschwüre auf die Ewigkeit versprochen, doch schnell vergessen waren, sondern auf die wahrhaft ewige Art der Elfen, deren Liebe über den Tod hinaus reichte. Wenn ein Elf liebte, so vereinigte sich ein Teil seiner Seele mit der seiner Liebe, aus zwei Wesen mit zwei Seelen wurde ein Paar, dass sich eine Seele teilte. Untreue und Ehebruch waren den Elfen nicht bekannt.

Einst war diese Art der Liebe für Wolf unverständlich gewesen. Er war ein Mensch und lebte sein Menschenleben. Im Dienst seiner Göttin hatte er für das Gute gekämpft und so große Ehre errungen. Er war ein Held, doch dann hatte er Xandra getroffen, die Tochter von Elorion Immerdar. Ihr sanftes Elfenwesen hatte sein Herz gefangen genommen, ihr strahlendes Lächeln sein Herz erwärmt und obwohl er wusste, dass Elorion niemals seine Tochter mit einem Menschen vermählen würde, hielt er bei ihm um ihre Hand an. Es dauerte Monate bis Elorion dann doch überraschend in die Hochzeit einwilligte und am Tag seiner Vermählung spürte er, was wahre Liebe hieß. Als Elorion ihnen den Kelch der Herzen reichte, aus dem sie Wasser aus den See der Tränen, jenem See in dem die Tränen der Elfen aus dem Großen Krieg gegen Nephrod gesammelt waren, tranken, erfuhr sein Herz eine Veränderung. Wo er einst nur das Feuer des Verlangens oder die Freude an der Musik gespürt hatte, brannte nun eine wärmende Flamme der wahren Liebe, der Friedfertigkeit, der Freundlichkeit. Ein Teil ihres Wesens hatte sich mit ihm vereinigt, so wie ein Teil von ihm nun in ihrem Herzen brannte.

Die nächsten Monate waren die glücklichsten seines Lebens gewesen.

Doch dann kam jene verfluchte Nacht, in der eine Vision seiner Göttin erhielt. Sie gebot ihm in die Schädelöde zu reisen, zur Festung Koldoschak, dem Reich von Olgotha, dem ältesten der Atori. Die Atori waren Geschöpfe der Nacht, Wesen der Finsternis. Als die Götter des Lichts das Volk der Elfen und der Lothari geschaffen hatten, versuchten die Mächte der Finsternis es ihnen gleich zu tun. Ihre erste Rasse waren die Menschen, ein Volk ohne Seele, getrieben von der Lust am Krieg, von der Gier nach Schätzen und ohne jener Liebe zur Natur, die die Rassen des Lichts auszeichnete. Doch Shogad, der Gott der Diebe erhielt von Andosch, dem Schöpfer der Lothari, den Befehl die ersten Menschen zu stehlen, um ihnen eine Seele zu schenken. Er hoffte, das eine Seele, die Finsternis im Herzen der Menschen bezähmen würde, doch Shogad konnte nicht alle Menschen finden, so dass es in den Tiefen des Skrall, noch einige Wenige jene seelenlose Urrasse gab, die sich dem Zugriff des Gottes der Diebe entziehen konnten. Doch als jene Rasse sah, was aus ihren Brüdern geworden war, wie ihre Seele ihnen Freude brachte, da erwuchs von Nephrod geschürt der Neid in ihren Herzen und sie zogen aus, das Geheimnis der Seele zu ergründen, um die Kälte in ihren Herzen zu vertreiben. Sie tranken das Blut von Elfen, Lothari und Menschen, um ihnen ihre Seele zu rauben, doch konnten sie nie das Seelenfeuer erhalten, was sie ihren Opfern raubten. Die Seele verlosch und so waren sie gezwungen erneut zu töten, um jene Leere zu füllen, die ihr Herz beherrschte. Die Lothari und Elfen nannten jene Rasse Atori, die Menschen Nosferatu oder Vampir.

Eben jene Rasse hatte die Schale der Tränen errungen, in dem die ersten Tränen der Menschen aufgefangen worden waren, die diese weinten, als sie ihre Seele erhielten. Von jenem Artefakt versprachen sich die Atori die Fähigkeit im Antlitz der Sonne zu wandeln, den bisher verbrannte die Machte des Lichts ihren Körper. Doch das Blut eines reinen Menschen getrunken aus der Schale sollte ihre Macht mehren und sollte ihnen dies gelingen wäre ihre Macht unvorstellbar.

Mit einer legendären Heldentat war es Wolf jedoch gelungen Olgotha zu überwinden und die Schale zu rauben. Beide wollte er vor den Rat der Paladine bringen, so das Olgotha gerichtet und die Schale in Sicherheit gebracht werden konnte. Doch als Wolf seinen Weg zurück aus der Schädelöde suchte, gelang es einem Meuchelmörder von Nephrod, Xandra zu vergiften. In der Öde spürte Wolf, durch sein Herz mit Xandra verbunden, wie das Gift langsam ihren Körper zersetzte. Selbst die Magie der Elfen konnte Xandra nicht retten. Wolf unfähig seiner Frau zu helfen, flehte die Götter um Hilfe an, doch selbst Mira, die Göttin des Lichts, der er so lange gedient hatte, erbarmte sich nicht und so starb Xandra einen qualvollen Tod, während Wolf, unfähig ihr zu helfen, ihr Leid miterleben musste. In jener Nacht als Xandra starb erschlug er Olgotha und trank sein Blut aus der Schale der Tränen. Die Macht des Blutes und der Schale verwandelten ihn, während das Licht des Sonnenrubins langsam erlosch. Doch ein Funke des Rubins sprang in seine Brust und glühte seitdem tief ins einem Herzen.

Wolf hatte in jener schicksalshaften Nacht Rache geschworen. In seiner Burg angekommen hatte er seine treusten Krieger zusammengerufen und war gegen Lognar gezogen. Auf halben Weg war ihm eine Streitmacht der Paladine entgegengetreten, angeführt von Floribus, dem Obersten Priester des Lichts. Obwohl sie ihm an Männern überlegen waren zog Wolf gegen sie ins Feld und die neue Macht, die in seinem Körper pulsierte verhalf ihm zum Sieg. Doch als Floribus durch Wolfs Hand starb, stieß der Priester noch einen letzten Fluch aus. Wolf sollte bis ans Ende der Zeit auf Goldar wandern, verdammt von den Paladinen, seinen einstigen Freunden gejagt zu werden und ohne Chance auf Vergebung. Doch hatte sich der Fluch des Priesters nicht komplett erfüllt. Wolf verlor zwar seine Ehre und sein Leben, doch nahmen sich die Elfen seiner an. Sie lehrten ihn jene Art der Liebe, die in ihren Herzen glühte, jene Liebe zur Natur, die nur die Elfen verstanden, jene Achtung des Lebens, zu der nur sie fähig waren. In ihnen fand er eine neue Familie, die ihn so annahmen wie er war. Er lernte seinen Blutdurst zu kontrollieren und mit der Zeit ließ der Durst nach. Der Funke des Sonnenrubins in seinem Herzen verhinderte, dass die Kälte des Todes sein Herz in Besitz nahm.

Doch in all den Jahrhunderten seit jenem schicksalshafen Tag, an dem er das Blut von Olgotha getrunken hatte, hatte er nie wieder geliebt. Doch nun spürte er einen Teil seines Herzens erwachen, der so lange geschlafen hatte. Irgendetwas an Alia erinnerte ihn an seine einstige Liebe.

Er spürte das prickelnde Gefühl der Sonnenstrahlen auf seiner Haut. Die Strahlen des roten Feuerballs, der sich langsam über die Wipfel der Bäume erhob, waren nicht in der Lage ihn zu schädigen. Er war weder Mensch, noch Elf, noch Atori. Er war ein Verstoßener.

Langsam stieg Wolf von der Zinne. Es war Zeit seine schlafenden Krieger zu wecken, die all die Jahrhunderte in den Eingeweiden seiner Burg schliefen. Auch sie verflucht wie er, doch ohne seine Macht. Obwohl sie alle von seinem Blut getrunken hatten, verbrannte sie das Licht. Sie waren Geschöpfe der Nacht und weiter von ihm entfernt als die Menschen, Elfen oder Lothari. Der Kelch hatte ihre Seele erhalten, doch die Einsamkeit und das Leben in Dunkelheit hatten ihre Seele verkümmern lassen und mit der Zeit hatte sich der Wald gegen seine einstigen Freunde gewandt. Da der Wald vor allen seelenlosen Geschöpfe durch Armols Macht geschützt war, konnten seine Gefährten die Burg nicht verlassen. Ihr Durst nach Blut ließ ihren Geist verkümmern und nur indem Wolf sie in einen magischen Schlaf versenkte, konnten sie die Jahrhunderte überstehen. Doch nun war es an der Zeit sie aus ihrem Schlaf zu erwecken, so dass sie seine Burg bewachen konnten, denn er hatte sich entschlossen in das Reich der Menschen zu reisen. Wenn Nephrods Heere gegen das Reich der Menschen zogen, war es Zeit nach Lognar zurückzukehren. Vielleicht würde er dort neue Anerkennung und Ehre erreichen.

Dein letztes Mal wendete Wolf seinen Blick zum Wald. Irgendwo in den Tiefen des Waldes war Alia erwacht und sein Herz spürte ihre Seele singen. Eine warme Blutsträne suchte ihren Weg über seine Wange, bevor sie auf den schwarzen Stein vor seinen Füßen tropfte.

To be continued.....

 

(c) Heiko Herbert Hoelzel, 2000